08.03.2022

 

Das Wort gewaltfrei bekommt in diesen Tagen einen ungleich stärkeren Klang. Es ist Krieg in Europa, es herrscht Gewalt. Und die Antwort darauf ist eine männliche, patriarchale – Bedrohungsszenarien aufbauen, die Gewaltspirale immer weiterdrehen. Wir fordern zum 8. März, dem Internationalen Frauen*tag, die Abkehr von dieser Logik. Wir möchten ermutigen, die Gewaltspirale zu beenden. Wir möchten ermutigen, gewaltfrei und selbstbestimmt zu leben - als Lösung für viele Probleme, die unseren Alltag in Deutschland, in Europa, weltweit bestimmen.

 

STARK MACHEN e.V. begleitet im Rostocker Frauenhaus und in Beratungsstellen gegen sexualisierte und häusliche Gewalt, in Interventionsstellen gegen häusliche Gewalt und Stalking und in Beratungsstellen für Sexarbeiter*innen tagtäglich Menschen. Wir ermutigen jede Person,

die zu uns kommt, gewaltfrei und selbstbestimmt zu leben.

Doch wir stoßen dabei auch tagtäglich an unsere Grenzen. Denn was wir erleben, sind vornehmlich Frauen*, die in ökonomischer Abhängigkeit leben. Diese Frauen arbeiten in schlecht bezahlten Berufen, oft im Carebereich. Sie haben durch Schwangerschaften, Geburten und Kinderbetreuungszeiten erhebliche finanzielle und karrierebeeinflussende Nachteile in Kauf nehmen müssen. Sie haben als Frauen kaum reale Chancen auf Führungspositionen – allen blumigen Sonntagsreden zum Trotz. All diese Faktoren zwingen Frauen in ökonomische Abhängigkeit – und diese Position fördert Gewalt. Diese Position erschwert es Frauen – gleichwohl wie gebildet oder ungebildet sie sind, gleichwohl, welchen sozialen Standard sie besitzen – diese ökonomische Abhängigkeit erschwert es ihnen, auszubrechen aus häuslicher oder sexualisierter Gewalt. Aus finanziellen Zwängen ertragen Frauen* Gewalt. Sie finden keinen bezahlbaren Wohnraum, um Abstand zwischen sich und den Täter zu bringen. Sie können sich keine teuren Anwält*innen und Gutachten leisten, um das Umgangsrecht für ihre Kinder zu klären und nachzuweisen, dass die Gewalt des Partners das Wohl des Kindes maßgeblich gefährdet, die Psyche des Kindes nachhaltig schädigt. Und auf der anderen Seite sind Frauen*, die Gewalt erleben, erheblich gefährdet, in ökonomische Abhängigkeit zu geraten. Es sind ja keine krankheitsbedingten Ausfälle, wenn sie nicht zur Arbeit können und Lohn- oder Gehaltseinbußen haben. Es sind die körperlichen und seelischen Verletzungen, die blauen Flecken, geplatzten Augenbrauen, Knochenbrüche, Schnitt-, Stich- oder Brandwunden, die inneren Verletzungen. Es sind Angst, Panik, Depression, Trauma, Suizidversuche, die dazu führen, dass gewaltbetroffene Frauen nicht arbeiten können. Für viele bedeutet die erlebte Gewalt das Ende jeglicher Erwerbsfähigkeit. Berufsunfähig heißt das dann und verdammt diese Frauen zu einem Leben in Abhängigkeit vom Sozialgesetzbuch XII und mit Grundsicherung. Wir müssen nicht mehr betonen, dass dies erneut ökonomische Abhängigkeit bedeutet.

Wir fordern im Sinne eines effektiven und wahrhaften Gewaltschutzes, diese ökonomische Abhängigkeit zu beenden. Wir fordern die gerechte Bezahlung aller Berufssparten in unserer Gesellschaft. Wir fordern, die enorme Einkommensschere in unserer Gesellschaft zu schließen. Wir fordern, mit gerechten Einkommen jedem Menschen ein auskömmliches, selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben zu ermöglichen. Wir fordern, Geld in soziale, kulturelle und Bildungsarbeit zu investieren, mit dem Ziel, eine starke, demokratische Zivilgesellschaft zu schaffen, in der Gewalt niemals ein Mittel ist, um Interessen durchzusetzen – weder in der Familie, noch in Institutionen, Wirtschafts- oder politischen Zusammenhängen. Wir fordern Frieden – und wir wissen, dass eine friedliche Welt, ein friedliches, gewaltfreies Miteinander möglich ist.

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